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Die Zukunft des mobilen Arbeiten - Interview

Die Zukunft des mobilen Arbeiten - Interview

Wir haben mit Herrn Dr. Michael Grampp, Leiter Research, Kommunikation und Digital bei der Deloitte Schweiz über das Thema "die Zukunft des mobilen Arbeitens" gesprochen. Wie sich das Zeit und Ortsunabhängige Arbeiten nach der Corona Kriese entwickelt und ob es in Zukunft überhaupt noch klassische Büros braucht waren einige der Punkte, zu denen Herr Grampp interessante Trendangaben machen konnte.

Sehen Sie hier das ganze Interview als Video: 

 

Hier finden Sie das Interview ebenfalls in Textform: 

Eine im letzten Quartal durchgeführte Deloitte-Umfrage zeigt, dass sich die Zahl der Personen, die von zu Hause arbeiten, infolge der Corona Krise während des Lockdown verdoppelt hat. Wie nachhaltig ist dieser Anstieg?

Home-Office ist gekommen um zu bleiben. Das ort- und zeitunabhängige Arbeiten bei den Wissensarbeitern/Bürojobs hat sich durchgesetzt.
Die vielen Skeptiker und Micro Manager die in den letzten Jahren immer skeptisch gegenüber Home-Office waren, haben entweder ihre Meinung geändert oder werden nicht mehr gehört.

Zudem wollen das auch viele Mitarbeiter, die während des Lockdown das erste Mal flexibles Arbeiten kennengelernt haben. Insbesondere die jüngere Generation ist davon angetan. In unserer aktuellen Millenial Umfrage wollen gut 60% öfters von zu Hause arbeiten.

 

Wie sieht das klassische Büro in ein paar Jahren aus, wenn immer mehr Mitarbeiter ort- und zeitunabhängig arbeiten? Brauchen wir dann überhaupt noch Büros?

Wir brauchen weiterhin Büros, diese werden aber anders aussehen und wohl auch von der Fläche her eher kleiner ausfallen.

Nehmen wir mal an, dass man im Schnitt nur noch an 2-3 Tagen die Woche im Büro sein wird. Dann wird man die Zeit dort verstärkt für den Austausch und Kollaboration in der Gruppe mit anderen Mitarbeitern nutzen wollen oder auch für kreative Tätigkeiten. Also weniger einzelne Arbeitsplätze, dafür mehr Fläche für Gruppenarbeit und Gespräche.

Was die Gesamtfläche angeht lässt schon aufhören, was wir von Firmen wie beispielsweise Novartis hören: Dort rechnet man damit, dass man langfristig 25-30% zu viel Bürofläche hat. Diese Zahl wird für andere Unternehmen ähnlich hoch sein. Und die wird man dann reduzieren. Entweder durch die Aufgabe von Liegenschaften oder durch Vermietung an Drittfirmen.

 

Wie und wo wird der klassische Wissensarbeiter in 5-10 Jahren seiner Arbeit nachgehen?

Definitiv mehr dezentral und remote. Das hängt aber stark von der einzelnen Tätigkeit ab.

Der ländliche Raum wird an Attraktivität als Wohn- und Arbeitsplatz sicherlich gewinnen. Wenn sie nur noch 2-3-mal die Woche pendeln müssen, können sie auch im schönen Bündnerland leben, dort von den niedrigeren Mieten und der tollen Natur profitieren. Für die ländlichen Subzentren ist dies eine grosse Chance.

Sobald Reisen und Grenzübergänge, so wie vor der Pandemie, wieder möglich sind, werden auch andere Optionen spannend werden.

 

Worauf müssen Unternehmen am meisten achten, wenn sie ort- und zeitunabhängiges Arbeiten zulassen und umsetzen wollen?

Drei Bereiche verdienen besondere Beachtung.

Arbeitsrecht & Gesundheitsschutz:

Klare Regeln sind notwendig, um ein arbeitsrechtliches Durcheinander zu verhindern und den Schutz der Arbeitnehmenden zu garantieren. Und dieses Feld ist breit: Es geht von der ergonomischen Ausrüstung, über Pausenregelungen bis hin zur IT-Sicherheit im Home-Office.

IT Sicherheit

Bei der IT-Sicherheit ist die Sensibilisierung der Mitarbeiter vor (Cyber)-Attacken extrem wichtig. Man ist nicht mehr jeden Tag in den relativ geschützten Büros tätig. Trainings dazu sind sehr zu empfehlen.

Mitarbeiterführung

Dann noch der Bereich Mitarbeiterführung. Wer ein Team plötzlich virtuell führt, realisiert, dass teilweise andere Führungsinstrumente notwendig sind.

 

Wo liegen die Gefahren, wenn verstärkt im Home-Office gearbeitet wird?

Aus Sicht des Arbeitnehmenden:

  • Kann ich wirklich Arbeitszeit von meiner privaten Zeit klar trennen? Habe ich auch die Räumlichkeiten um in Ruhe im Home-Office arbeiten zu können? Kann ich mich selbst so gut organisieren, dass ich mindestens genauso effizient arbeite wie im Büro. Besteht die Möglichkeit, mich regelmässig mit meinem Team auszutauschen?
    Wenn diese Punkte nicht gegeben sind, ist Home Office wohl nicht die geeignete Arbeitsform.
  • Auch der informelle Austausch mit Kollegen könnte zu kurz kommen.

Aus Sicht des Arbeitgebenden:

  • Die Gefahr nimmt zu, dass sich mehr Silos bilden, und zwar von Einzelpersonen. Daher extrem wichtig, neue Formen des Austauschs im Team auf virtueller Ebene zu überlegen. Und Büro Tage gut abzustimmen, so dass auch genügend Mitarbeiter zu gleichen Zeit anwesend sind.
  • Ein reduzierter Austausch im Team kann kreative Kräfte lähmen, dadurch entsteht weniger Neues, Innovation kann auf der Stecke bleiben
  • Viele Probleme werden auf den kurzen Dienstweg oft schneller gelöst. Das muss man auch im virtuellen Arbeitsumfeld sicherstellen können.
  • Integration und Einarbeitung von neuen Mitarbeitern ist virtuell schwieriger; neue Onboarding-Programme sind nötig.

 

Hat Co-Working eine Zukunft nach der Corona-Krise?

Co-Working hat sich in den letzten 5 Jahren sehr dynamisch entwickelt. Die Pandemie und die Folgen wird das Co-Working noch attraktiver machen. Wir sollten nicht vergessen, dass nicht jeder zu Hause ein extra Zimmer hat, welches er für Home-Office nutzen kann. Da kann Co-Working eine gute Option sein, wenn der Pendelweg zu lange ist.

 

Wie können Unternehmen konkret vom Co-Working-Trend profitieren?

Es gibt zwei Möglichkeiten:

Wenn ein Unternehmen zu viel Bürofläche hat und diese nicht so einfach reduzieren kann, könnte man Co-Working Flächen selbst anbieten oder mit einem Co-Working Betreiber kooperieren.

Für Ihre eigenen Mitarbeiter, insbesondere die, welche weit weg von ihrem Unternehmensstandort leben, könnten Unternehmen Arbeitsplätze in einem Co-Working Center bereitstellen. Sehr naheliegend beispielsweise für Mitarbeiter im Aussendienst/Verkauf. 

 

Welche Chancen haben regionale Co-Working Center, die sich abseits der grossen Städte befinden?

Bei einer verstärkten Home-Office Tätigkeit wird das Leben in der Agglomeration und auf dem Land für viele Büroarbeiter attraktiver.

In kleineren Subzentren können Co-Working Spaces dann eine wichtige Funktion erfüllen, indem sie Büroinfrastruktur zu bezahlbaren Preisen flexibel anbieten.

Gemeinden, die solche Co-Working Spaces haben, gewinnen an Attraktivität als Wohn- und Arbeitsort.

 

Quellen

https://www2.deloitte.com/ch/de/pages/consumer-business/articles/workplace-of-the-future.html
https://www.nau.ch/news/wirtschaft/co-working-spaces-werden-dank-corona-krise-immer-beliebter-65730488
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/nach-homeoffice-kommt-jetzt-das-co-working-gruene-fordern-unterstuetzung-vom-kanton-138368540